Die wichtigste Energiequelle für den Gemüseanbau bleibt die Sonne. Aber auch im Zeichen des Klimawandels reicht die Kraft ihrer Strahlen für Paprika und Co. in den Glashäusern nicht aus. „Um die Flächen möglichst nachhaltig bewirtschaften können, ist gerade in der Übergangszeit die zuverlässige Energieversorgung ein wichtiges Thema“, erklärt Maximilian Meissner.

Matthias Keller, Tobias Jörg, Maximilian Meissner, Clemens Blum, David Wehrle und Mathias Rückert sind die Inhaber der Reichenauer Gärtnersiedlung in Singen. Sie haben erst kürzlich in ein Biomasse-Heizwerk investiert um noch nachhaltiger zu werden.
Matthias Keller, Tobias Jörg, Maximilian Meissner, Clemens Blum, David Wehrle und Mathias Rückert sind die Inhaber der Reichenauer Gärtnersiedlung in Singen. Sie haben erst kürzlich in ein Biomasse-Heizwerk investiert um noch nachhaltiger zu werden. Bild: Joachim Sauer

Er ist einer der sechs Teilhaber der Gärtnersiedlung Produktion GmbH & Co. KG in Singen-Beuren. Diese tritt nach außen hin als Reichenauer Gärtnersiedlung mit „frisch aus dem Hegau“ als Zusatz im Logo auf. Sie ist, wie auch das sehr ähnlich gestaltete Markenzeichen nahelegt, eng mit der Genossenschaft Reichenau-Gemüse verbandelt.

Die Heizkraftwerke

„Wir haben schon früh in Blockheizkraftwerke investiert, die Wärme erzeugen und im Jahr rund 18 Millionen Kilowattstunden Strom ins öffentliche Netz einspeisen. Das von ihnen abgegebene Kohlendioxid (CO2) wird von uns zudem gereinigt und wohldosiert in die Gewächshäuser geleitet, damit die Pflanzen es aufnehmen können“, erläutert Meissner.

Eine wichtige Investition in die Zukunft der Produktionsanlage stellt das vor wenigen Wochen in Betrieb genommene Biomasse-Heizwerk dar. Es wird mit Altholz betrieben, das vom in Radolfzell ansässigen Recyclingunternehmen Riester angeliefert wird. Die so erzeugte Wärme wird in zwei Pufferspeicher mit vier Millionen Liter Wasser Fassungsvermögen vorgehalten. „Diese Wärme können wir für unser eigenes Wärmenetzwerk in die Gewächshäuser leiten. Das macht uns unabhängiger von fossilen Energieträgern und fördert unseren nachhaltigen Gemüseanbau“, berichtet Maximilian Meissner.

Über die Höhe der Investitionssumme schweigt sich das Unternehmen auf Nachfrage des Konstanzer Anzeiger aus.

Die Gewächshäuser

Derzeit bewirtschaften die beiden Reichenauer Gärtnersiedlungen insgesamt 17,5 Hektar Glashausfläche, was rund zwei Dutzend Fußballfeldern entspricht. Nach eigenem Bekunden gehört ein besonderes Augenmerk der Nachhaltigkeit des Betriebs. So werden in den etwa elf Hektar nach den Richtlinien der konventionellen (herkömmlichen) Landwirtschaft angebauten Flächen in erster Linie Nützlinge für die Schädlingsbekämpfung eingesetzt. „Damit können wir weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichten, was sowohl für die Lebensmittelqualität als auch unsere Mitarbeiter ein Gewinn ist, die 40 Stunden in der Woche mitten in den Tomaten-, Auberginen- und Paprika-Pflanzen stehen“, erklärt Geschäftsführer Matthias Keller. Derzeit werden zudem Wassermelonen angebaut. Diese sind, obwohl sie im Supermarkt meist in den Obstabteilung zu finden ist, ein Gemüse.

Die natürlichen Feinde der Schädlinge werden wöchentlich im Gewächshaus verteilt.
Die natürlichen Feinde der Schädlinge werden wöchentlich im Gewächshaus verteilt. Bild: Joachim Sauer

Die Bio-Glashäuser werden von Biogemüse Hegau betrieben, die auf den inzwischen 6,5 Hektar Fläche Gurken, Paprika und Tomaten anbaut. „Auch hier setzen wir auf moderne Anbaumethoden mit komfortablen Erntewagen, die unsere Mitarbeiter auf die jeweils richtige Arbeitshöhe bringen und schwere Lasten abnehmen, sodass niemand hohe Gewichte tragen muss“, betont der Geschäftsführer.

Die Sortierung und
Verpackung

„Das wohl auffälligste an unserem Betrieb ist die hohe Automatisierung. So fahren die 50 Erntewagen autonom in die Gewächshäuser“, sagt Matthias Keller stolz. Die Mitarbeiter schieben sie in die Pflanzreihen und befüllen die Container in einer guten Stunde mit bis zu 250 Kilogramm Paprika. Zurück in der Sortierhalle fahren die Wagen bis zum Puffer, wo die Anlage automatisch den Container abnimmt und in den Speicher einfährt. „So können wir für die Weiterverarbeitung die Paprika sortiert nach Sorte aus dem Pufferspeicher holen und vorsichtig aufs Förderband kippen“, ergänzt er. Sie werden anschließend direkt in eine Reinigung mit Bürsten befördert. Der Computer teilt sie mittels Kamera und Waage in Qualitätsstufen ein. Die B-Ware, also nicht ganz so perfekte Ware, wird sofort selektiert und landet zum Beispiel im Hofverkauf oder in weiterverarbeitenden Betrieben.

Trotz hoher Automatisierung sind es am Ende doch Mitarbeitende die jeden Paprika nocheinmal auf einwandfreie Reife beurteilen und in die wiederverwendbaren Transportkisten legen.
Trotz hoher Automatisierung sind es am Ende doch Mitarbeitende die jeden Paprika nocheinmal auf einwandfreie Reife beurteilen und in die wiederverwendbaren Transportkisten legen. Bild: Joachim Sauer

„Die großen und reifen Paprika landen auf einzelnen Schalen und werden automatisch zu Gebinden von fünf Kilogramm zusammengestellt. Doch unsere Mitarbeitenden schauen hier noch mal genau hin und achten darauf, dass auch wirklich nur perfekte Paprika in den wiederverwendbaren Transportkisten landen. Roboterarme stapeln diese dann automatisch auf Paletten“, beschreibt Matthias Keller die weiteren Arbeitsschritte.

Die Gründung der Reichenauer Gärtnersiedlung geht auf eine Anfrage von Edeka Südwest bei der Reichenau Gemüse eG im Jahr 2008 zurück. Edeka suchte nach einem verlässlichen Partner für regional angebaute Paprika. Gemeinsam mit fünf Genossenschaftsmitgliedern ging es an die Planung und Flächenfindung. Dabei war schnell klar, dass für ein solches Projekt auf der Insel Reichenau keine ausreichend großen Flächen vorhanden sind. Dennoch fanden sich die langjährig engagierten Landwirte in der Reichenauer Gärtnersiedlung zusammen und in Beuren an der Aach die passende Fläche. Bereits 2011 konnte mit dem Bau der Sortierhalle und dem elf Hektar großen Glashaus begonnen werden.

Die ersten Paprika wurden 2012 geerntet, die wie heute noch über die Reichenau Gemüse eG vermarktet werden. Wie bekannt, blieb es nicht lange nur bei Paprika. Auf den bereits bei der Planung berücksichtigten Erweiterungsflächen entstand 2016 die erste Glashauserweiterung und 2020 das erste Bio-Gewächshaus. Dazu kamen über die Jahre zwei Blockheizkraftwerke und dieses Jahr das Biomasse-Heizwerk.

130 Vollzeitbeschäftigte

Ein paar Zahlen zur Reichenauer Gärtnersiedlung verdeutlichen den Geschäftsumfang. Zukünftig sollen 90 Prozent des Energiehaushalts über das Biomasse-Heizwerk gedeckt und somit 7000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Auf dem Gelände sind 280.000 Meter Heizungsrohre verlegt.

Es gibt zwei Verpackungshallen mit 3300 Quadratmeter und 1900 Quadratmeter. Es erfolgt eine automatische Bewertung nach Größe, Gewicht und Farbe. Die Anlage erfordert mindestens sieben Mitarbeiter. Die durchschnittlich am Tag bestücke Zahl der Paletten beträgt 40. Im Kühlhauslager gibt es 450 Palettenplätze.

Der Verarbeitungspuffer beträgt bei den Paprika 10.000 Kilogramm. Im Jahr werden 2,3 Millionen Kilogramm Bio-Gemüse und 3,5 Millionen Kilogramm konventionelles Gemüse erzeugt. Damit das Gemüse gut gedeiht, werden ein Dutzend unterschiedliche Insektenarten als Nützlinge eingesetzt. 130 Beschäftigte in Vollzeit und 20 in Saisonarbeit bringen es im Jahr auf 200.000 Arbeitsstunden.