Wer wählt freiwillig einen Beruf, bei dem er täglich mit dem Tod konfrontiert ist? Norbert Hirt zum Beispiel. Und bereut hat es der Bestatter aus Villingen-Schwenningen bis heute nicht. Im Gespräch mit dem STAZ verrät er, wie überraschend umfangreich sein Aufgabengebiet ist, wie die glücklichen Momente in seinem Berufsalltag aussehen und wie er mittlerweile selbst über das Sterben denkt.

Wie sind sie zu diesem außergewöhnlichen Beruf gekommen?

Norbert Hirt: Als ich 15 Jahre alt war, ist ein Freund von mir mit dem Moped unter einen Zug gekommen und tödlich verunglückt. Ich stellte mir dann die Frage: Was passiert mit ihm? Das hat mich sehr lange beschäftigt. Der Vater eines anderen Freundes war Bestatter und ich fragte, ob ich nicht eines Tages aushelfen könnte. Irgendwann später rief er dann an, als er Hilfe brauchte. Ich fing bei ihm an, machte die Ausbildung und habe die Bestattung dann später übernommen.

Wie sieht die Ausbildung zum Bestatter aus?

Sie geht drei Jahre und ist ziemlich streng. In der Regel legen nur 50 Prozent die Prüfung ab.

Warum das?

Weil es eine sehr intensive Ausbildung und der Beruf auch emotional sehr anstrengend ist. Wir haben ja immer mit Negativ-Situationen zu tun, da kommt man an seine persönlichen Grenzen. Als Bestatter muss man psychisch und physisch fit sein. Seit 2003 ist der Bestatter ein Ausbildungsberuf.

Und davor?

Davor wurde das Handwerk in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Deshalb gibt es unter den Bestattern heute auch so viele Familienbetriebe. Die Ausbildung war keine Pflicht. Oft waren das eigentlich Kaufmänner oder Schreiner.

Warum entscheiden sich junge Menschen heute für die Ausbildung?

Weil sie sehr vielseitig ist. Zum einen lernt man den Umgang mit trauernden Angehörigen, das hat einen gewissen psychologischen Hintergrund. Zum anderen handwerkliche Dinge wie die Grabmachertechnik: In der Ausbildung und in der Prüfung muss ein Grab geöffnet werden. Oder die Materialkunde: Was für Särge gibt es? Welches Holz darf verwendet werden? Welche Innenausstattung? Dann die Krematoriumstechnik und auch die Blumenbinderei: Welche Blumen haben welche Bedeutung? Sowie verschiedenen Arten von Bestattungen: Wie sehen die Riten der verschiedenen Konfessionen aus?

Was gibt es da für Unterschiede?

Viele. Muslimische Verstorbene dürfen wir zum Beispiel nur abholen. Sie werden dann von Mitgliedern ihrer eignen Konfession rituell gewaschen, einbalsamiert und beigesetzt. Wir dürfen sie nicht mehr berühren. So hat jede Konfession ihre eigenen Riten. Und die muss man beachten und respektieren.

Wie haben sich Bestattungen im Allgemeinen in den vergangenen Jahren verändert? Gibt es Trends?

Klassische Familiengräber sind rückläufig. Das ist auch eine Glaubensfrage. Strenge Katholiken lassen sich erdbestatten. Mittlerweile sind aber fast 80 Prozent Feuerbestattungen. Sehr in Mode sind außerdem Baumbestattungen. Das bietet fast jeder Friedhof an. Aber auch Friedwald ist ein großes Thema. Man kann einen ganzen Baum kaufen oder nur einen einzelnen Platz – alles eine Preisfrage.

Apropos Preisfrage: Im Moment wird alles teurer. Sterben auch?

Die Preise haben extrem angezogen. Bei Särgen etwa um 20 Prozent. Wir beziehen unsere Särge nicht aus dem Ausland, sondern von einem Lieferanten aus der Region. Aber auch die Spritkosten spüren wir. Wir sind ja viel unterwegs.

Als Bestatter sind Sie täglich mit dem Tod konfrontiert. Gibt es denn auch glückliche Momente?

Ja, denn die Dankbarkeit der Angehörigen ist sehr groß. Für sie ist ein Sterbefall immer eine Ausnahmesituation. Wir sind dann da, spenden ihnen Trost und wickeln den ganzen Prozess ab. Wir machen die kompletten Termine, etwa mit der Friedhofsverwaltung, dem Krematorium und dem Pfarramt, wir organisieren Blumen, schalten eine Zeitungsanzeige und drucken Karten selbst. Bei Bedarf kümmern wir uns aber auch um das Verschicken der Urne. Gerade haben wir zum Beispiel eine nach Australien geschickt. Das gehört alles dazu.

Gibt es trotz Ihrer Berufserfahrung Momente, die Ihnen nahegehen?

Ja, immer wenn es sich um Kinder oder Babys handelt. Aber auch bei Unfällen oder Schicksalsschlägen, etwa wenn jemand gleich zwei Personen in kurzer Zeit verliert. Aber ich denke, es ist auch gut, dass man hier nicht abstumpft, sondern die Trauer ein Stück weit mitträgt. Man muss aber natürlich trotzdem professionell bleiben und einen gewissen Abstand wahren.

Und wie macht man das?

Wir sprechen im Betrieb viel miteinander, da muss man sehr offen sein. Wir sitzen zusammen und erzählen einfach. Zum Beispiel wenn es um schlimme Unfälle geht. Für extreme Fälle haben wir auch Seelsorger an der Hand. Aber meistens lösen wir das intern.

Wie reagieren die Menschen, wenn sie erfahren, dass Sie Bestatter sind?

Meistens neugierig. Aber man muss dazu sagen: Als Bestatter verliert man auch Freundschaften.

Warum?

Weil wir im Bereitschaftsdienst immer abrufbar sein müssen. Uns erreicht man 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Und dann haben wir noch die Polizei-Einsätze. Wir müssen innerhalb von einer Stunde am Unfallort sein. Da geht manches privat nicht.

Würden Sie den Beruf trotzdem wieder wählen?

Ja, denn er ist sehr erfüllend. Und die Freundschaften, die bleiben, sind sehr viel enger.

Begegnen Sie denn auch Vorurteilen?

Ja, dass man sich als Bestatter die Taschen füllt und gutes Geld verdient. Die Zeiten sind aber schon lang vorbei. Heute ist der Wettbewerb strenger geworden. Es gibt jetzt Internet-Bestatter, die mitmischen. Die sitzen zum Beispiel in Berlin und kaufen sich hier alle Dienstleistungen ein. Sie leisten aber keinen Bereitschaftsdienst. Wenn das mal Überhand nimmt, wird die Bereitschaft entweder sehr teuer oder es gibt nachts keine Abholung mehr. Außerdem hat jeder Friedhof seine Eigenheiten und Riten. Woher weiß ein Internet-Bestatter welche Särge es in der Region gibt? Und dann gibt es auch keine persönliche Betreuung.

Wie sieht die persönliche Betreuung genau aus? Über was sprechen Sie mit den Menschen?

Wir haben Angehörige, die sitzen hier 1,5 Stunden. Und die sprechen nicht nur über den Sterbefall, sondern auch über den Hintergrund. Manche brauchen einfach jemanden zum Austausch. Da gehören auch Sachen dazu wie Missbrauch, Misshandlung oder finanzielle Verhältnisse. Oder Querelen in der Familie. Da kommen alte Streitigkeiten und Emotionen vor. Wir haben natürlich Schweigepflicht, aber das kriegen wir alles mit. In den Gesprächen wird geweint aber auch gelacht. Im Trauerfall kann man sich nicht verstellen. Das ist sehr interessant, man kann bei Menschen hinter die Fassade gucken. Da sieht man Dinge, die man sonst nicht sieht.

Hat sich Ihr Blick auf den Tod durch Ihren Beruf verändert?

Ganz klar, ja. Ich sehe manches offener. Der Tod ist für mich kein Tabu mehr. Er ist nicht mehr erschreckend, sondern etwas natürliches. Man sieht manches im Leben ganz anders. Bei uns im Betrieb wird viel gelacht, wir machen auch unsere Späße – das ist ganz wichtig. Der Beruf verändert einen schon und macht sensibler. Man spürt machnes mehr.

Was macht den Beruf für Sie so besonders?

Bestatter sind ja auch Fürsprecher der Verstorbenen. Ein Verstorbener kann sich nicht mehr wehren. Deshalb gehen wir sehr respektvoll mit ihm um. Wir sprechen auch mit ihm. Wann verlässt die Seele den Körper? Was bekommen Verstorbene noch mit? Wir wissen es nicht. Wichtig ist, dass jeder respektvoll bestattet wird – egal ob er viel Geld hat oder nicht. Im Tod sind wir alle gleich. Oder wie man sagt: Das letzte Hemd hat keine Taschen.