Peter Längle: Die 1960er Jahre waren eine Zeit des Umbruchs in jeder Beziehung. Erst in diesen Jahren wurden die Schatten des 3. Reiches überwunden und das Kulturleben umgekrempelt. Für uns zeigte sich dies in der aufkommenden Beatmusik, der wir alle mehr oder weniger verfallen waren. Dabei waren wir recht unschuldig und auch brav. Unsere Eltern begegneten der musikalischen Neuzeit mit mehr oder weniger Ablehnung und kanzelten den aus England und den USA herüberschwappenden Beat, Jazz, Blues und Soul als „Negermusik“ ab.

Ende 1965 steht die Band in erster Besetzung: Uli Köhler/Bassgitarre, Wolfgang Zimber/Rhythmusgitarre, Peter Längle/Sologitarre und Reinhard Andre/Schlagzeug.

Seinerzeit war es unbedingt erforderlich, einen Spitznamen zu haben. Wolfgang Zimber klaute den seines Bruders „Bimbo“. Bei Ulrich Köhler war es einfach, er wurde sowieso nur „Uli“ gerufen. Mein Spitzname „Porgy“ entstammt einem Werbeplakat für das Musical „Porgy und Bess“ von Gershwin. Bei Reinhard wurden wir nicht fündig.

Peter Längle damals.
Peter Längle damals. Bild: privat
Peter Längle heute.
Peter Längle heute. Bild: privat

Ein Name musste her

Wolfgang Zimber: Ein Bandname musste natürlich her. The Sounders wurde, von wem auch immer, vorgeschlagen. Der Name hielt sich aber nicht lange. Bald hatten wir die bessere Idee: The Stingrays, klangvoll wie der berühmte amerikanische Sportwagen. Wir waren happy.

Der erste Auftritt stand an. Ich glaube, es war im Februar 1966, als wir im Rahmen eines Klassenabends in unserer U2a unser Repertoire zum Besten geben durften. Und zwar in einer Räumlichkeit des Ruderclubs Neptun am Rhein. Zu gerne hätte ich heute noch eine Tonaufnahme dieses Gigs.

Unser Equipment bestand aus einem geliehenen Supreme-Kofferverstärker und einem dicken Shure-Mikrophon (wie Elvis eines hatte). In den armen Amp (Verstärker) wurden alle Instrumente plus Gesang eingestöpselt. Im Klartext: Zwei Gitarren, eine Bassgitarre und ein Mikrophon. Wie das ging, ist mir heute noch ein Rätsel. Bald folgte ein zweiter Auftritt im Bauhof, ein Lokal unweit unserer Schule. Und jetzt gab es erst mal richtig Gage! 20 DM für alle. Mann! Aber damals kostete eine Kugel Eis beim Pampanin auch nur zehn Pfennige.

Wolfang Zimber damals.
Wolfang Zimber damals. Bild: privat

Wolfgang Zimber heute.
Wolfgang Zimber heute. Bild: privat

Peter Längle: Anfangs trugen The Stingrays gebügelte Hosen (von wegen Blue Jeans!), rosafarbene Hemden mit Stehkragen oder weiße Hemden und Krawatten, manchmal eine Anzugsweste vom Opa darüber. Alkohol gab es selten, Drogen gar nicht bzw. waren tabu — ganz im Gegensatz zu unseren Idolen, was wir aber nicht wussten und uns letztlich auch egal war. Wir musizierten um der Musik willen und waren glücklich!

Nach dem Schulball des Humboldt-Gymnasiums im Sommer 1966, unserem 3. Auftritt, verließ Uli Köhler die Band. Er wurde durch Bernhard Müller (Pfulle) ersetzt, der ein recht versierter Rhythmusgitarrist war und auch einen Verstärker besaß. Bimbo wechselte zur Bassgitarre. Von da an ging es aufwärts!

Wolfgang Zimber: Außer uns coverte damals in Konstanz niemand Stücke von den Yardbirds oder den Who, später von Cream und Hendrix. Bei „I`m So Glad“ von Cream tobten wir uns auf der Bühne aus. Aber auch an einen Hendrix-Song wie „Manic Depression“ im 6/8tel Takt vom ersten Album „Are You Experienced“ muss man sich als Amateurband erst mal wagen. Wir taten das! Mit Harry am Schlagzeug ging das alles. Die Spielweise von Mitch Mitchell und Ginger Baker hatte er drauf. Zwei „Eigenkompositionen“ hatten wir parat, z. B. „I Had Said So“. Das Lied hatte eigentlich keinen Text, sondern ich improvisierte irgendwie einen sich nach Englisch anhörenden Gesang. Stimmlich konnte ich mich dabei mit viel Schmelz austoben und so war auch dieses Stück sehr beliebt.

Peter Längle: Bei Musik-Ebert kaufte ich, wohl Anfang 1967, einen Gitarrenverstärker mit separater Lautsprecherbox der Marke Guyatone, Made in Japan. Dieser Transistorenverstärker neigte zum Klirren, was einen scheppernden Klang zur Folge hatte. Später baute mir Horst Heirler – ein jüngerer Gitarrist aus der Konstanzer „Konkurrenzband“ Black Baboones – einen guten Verstärker, den ich um eine ganz ordentliche Lautsprecherbox aus Eigenbau erweiterte.

Überhaupt war vieles damals improvisiert, selbst gemacht oder/und wurde bei anderen Bands ausgeliehen. Ende 1967 schafften wir uns beim Musikhaus Kohler in der Wessenbergstraße eine Dynacord-Gesangsanlage an. Da wir infolge unseres jugendlichen Alters nicht voll geschäftsfähig waren, musste Bimbos Mutter dafür geradestehen. Die Anlage stotterten wir mühsam mit Kleinbeträgen aus Auftrittsgagen ab 25 DM ab.

Jugendhaus Raiteberg gibt Initialzündung

Wolfgang Zimber: Ich weiß nicht mehr, ob es im Spätjahr 1966 war oder erst 1967. Wir zogen in einen neuen Proberaum um, nämlich ins Jugendhaus Raiteberg. Vom gestrengen Jugendhausleiter Herr Dannenmayer, wurde uns ein eigener Proberaum zugeteilt, in welchem wir einmal in der Woche lärmen konnten. Der Ort war auch verkehrstechnisch besser für uns zu erreichen. Man musste halt durch den Straßenstrich auf der Wollmatinger Straße. Etwas unheimlich.

The Stingrays 1968 bei einem Auftritt am Schulball des Suso-Gymnasiums. Im Bild die 1966 dazu gestoßenen Bandmitglieder Harry Kirst und Bernhard Müller.
The Stingrays 1968 bei einem Auftritt am Schulball des Suso-Gymnasiums. Im Bild die 1966 dazu gestoßenen Bandmitglieder Harry Kirst und Bernhard Müller. Bild: Christian Neumann

Spielten wir bisher meist im kleinen Rahmen, abseits der großen Öffentlichkeit, so sollte sich das im Jahr 1967 ändern. Im Veranstaltungssaal des Jugendhauses fanden regelmäßig sogenannte „Sprudelbälle“ statt. Allein 1967 traten wir achtmal dort auf.

Peter Längle: Absolutes Highlight damals war unser Auftritt am Schulball des Suso-Gymnasiums im Sommer 1968. Die Turnhalle war von den Oberstufenschülern recht ausgefallen dekoriert worden, von der Decke hingen ausgestopfte Vögel aus der Biologie-Sammlung und ein riesiges, auf Zeitungspapier aufgemaltes Auge nahm eine ganze Seitenwand ein. Vor diesem Auge war die Band aufgebaut. Musikalisch waren wir sehr gut drauf und der Auftritt wurde ein großer Erfolg.

Ganz im Gegensatz hierzu stand unsere Teilnahme an einem Beatband-Wettbewerb im Gasthaus „Löwen“ in Kreuzlingen am 27. Januar 1968, an dem acht Bands teilnahmen.

Außer Konkurrenz trat noch eine Gruppe namens New Heu aus der Schweiz auf, die Coversongs von Hendrix und Cream über eine brachial laute Verstärkeranlage zum Besten gaben. Mit unserer dürftigen Anlage und vielleicht auch wegen unseres Repertoires kamen wir nur auf Platz 7. Die anderen Bands wussten nämlich mit braven Beatles-Stücken und gängigem Pop zu gefallen, während wir uns den Who, Yardbirds, Cream und Hendrix widmeten. Technisch waren wir sicher nicht schlechter als die ohnehin nur zur Einstimmung und als Pausenfüller aufgetretenen New Heu, aber die hatten uns mit ihrem Sound und ihrer wattstarken Anlage einfach den Schneid abgekauft. Nach diesem Ereignis war ich eine Woche lang krank!

Zur Probe über den Straßenstrich

Wolfgang Zimber: Wir rehabilitierten uns vollständig in der Folgezeit mit sechs Auftritten im Burghofkeller, davon drei über Fasnacht, einen Auftritt beim Fasnachts-Schulball im Humboldt, einen Auftritt beim Hemdglonkerball im Konzil. Die wogende Menge von weißen Hemdglonkern im Konzilsaal sehe ich noch vor mir, phantastisch. Bestimmt 800 bis 1000 Leute. Im Frühjahr 1968 hatten wir zwei Auftritte hintereinander auf der beliebten französischen Kirmes in der Jägerkaserne. Diese Feste fanden jedes Jahr regelmäßig in einer der drei Kasernen statt.

Peter Längle: Der Auftritt im Suso-Gymnasium war unser letzter in der bekannten Besetzung. Nachdem Harry nichts Besseres eingefallen war, als Bimbos Freundin auszuspannen, verließ dieser die Band im Streit. Ein letztes Mal wurde die Band neu besetzt: Werner Tremmel übernahm für kurze Zeit den Gesangspart und die Bassgitarre. Ende 1968 lösten wir die Band auf. Das war das Ende von The Stingrays.

Wir erlebten eine sagenhafte Zeit damals. Zum Glück haben wir alle irgendwann die Kurve gekriegt und sind etwas „Rechtes“ geworden!

Bearbeitet von Ralf Baumann