Als Schlagzeuger hat Patrick Manzecchi u.a. schon Sheila Jordan, Paolo Fresu, Pee Wee Ellis, Harry Allen oder Lyambiko als „Sideman“ (Gastmusiker) begleitet und sich in die verschiedensten Bands eingefügt. Warum er auf seiner neuesten CD „Talking to myself“ (Selbstgespräch) die Nebenrolle abstreift und solo trommelt, erzählt der Konstanzer im Wochenend-Interview.
Herr Manzecchi, nach vier Band-CDs unter eigenem Namen haben Sie nun ein Solo-Werk herausgegeben. Was hat Sie daran gereizt?
Patrick Manzecchi: Als ab November 2021 wegen Corona erneut Tourneen abgesagt wurden, wollte ich in der freien Zeit etwas Sinnvolles schaffen. Viele Künstler sind während der Lockdowns sehr kreativ gewesen. Mein Freund Harry Allen zum Beispiel hat zeitgleich eine Platte aufgenommen, auf der er alle Instrumente selbst einspielte wie in einer Big Band.
Sie haben aber die Solo-Variante gewählt. Warum?
Mir ging es darum, mich einmal von der Rolle des Sideman zu lösen und das Schlagzeug ins Zentrum zu stellen. Mein langjähriger Freund Christian Nickel aus Basel, gleichzeitig Produzent der CD, hatte mich damals ermuntert, ins Studio zu gehen. Herausgekommen sind die 24 Stücke, die für sich stehen, aber auch als eine Geschichte wirken sollen.
Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?
In einem Schlagzeug-Solo zeigt man oft die technischen Fähigkeiten. Die Kür ist es, eine Geschichte zu erzählen, die einen berührt und funktioniert. Mein Wunsch war es, Gefühle zu reproduzieren, die ich mit meinen Erinnerungen verbinde. Anfangs habe ich archaisch getrommelt und mit Ideen und Möglichkeiten gespielt. Hier mal einen gängigen Groove, dort ein sanftes Rascheln. Dann fing ich an zu sortieren. Was gefällt mir, was macht Sinn? Aus 124 Soli wurden in monatelangem Feinschliff 24 Stück ausgewählt. Um einen Bogen zu kreieren, traf ich mich mit meinem Konstanzer Freund und Musikerkollegen Alex Behning, der selbst ein ausgezeichneter Produzent ist. Gemeinsam editierten wir die Stücke. Dabei entstand auch die Idee, den Soli einen Titel zu geben. Der Hörer kann so seine Assoziationen und Gedanken mit meinen eigenen vergleichen.
Im Innenheft der CD kann man folgendes lesen: „Insights and perspectives, ranging from doubts and conflicts to love and peace“ (Einsichten und Perspektiven, die von Zweifeln und Konflikten zu Liebe und Frieden reichen). Ist es eine Art Hör-Gebrauchsanweisung?
Das könnte man so sagen. Die Stücke spiegeln eine Reise durch verschiedene Gefühle und Sehnsüchte wider. Es ist so: Man weiß eher, worum es im Leben geht, aber weniger wie die Reise schließlich verläuft. Die Musik, die entstand, musste vor mir selbst, meinen künstlerischen Ansprüchen bestehen.
Kennt man Sie besser, wenn man die CD hört?
Ja, man gewinnt einen Eindruck von mir.
Stand der Titel „Talking to myself“ von Anfang an fest?
Nein, ich wollte die CD ursprünglich „Drums in Solitude“ nennen, das hat der Produzent gleich als zu klischeehaft verworfen. Die Idee, sie „Talking to myself“ zu nennen, kam dann von ihm.
Die Soli sind nicht unbedingt leicht konsumierbar. Wollten Sie nicht einen größeren Kreis an Hörern ansprechen?
Die Rückmeldungen sind sehr unterschiedlich: Manche sind völlig begeistert, andere sagen, ich tu mir ein bisschen schwer. Mein Standpunkt ist, entweder hört man etwas gern oder eben nicht. Da muss man auch keine Ahnung von Jazz haben. Mein künstlerischer Wunsch war, meine Erinnerungen musikalisch nachfühlbar zu machen.
Sie haben die Solo-CD und eine weitere neu erschienene Band-CD kürzlich auf einem Doppelkonzert vorgestellt. Wie war die Reaktion?
Anfangs bin ich durch den dunklen Raum gegangen und habe Glöckchen gespielt. Ich wollte die Menschen überraschen und sie gleichzeitig einstimmen und sensibilisieren. Solokonzerte sind immer Experimente, da sie Hörgewohnheiten in Frage stellen. Das passiert im normalen Jazz-Konzert nicht. Die Energie eines Schlagzeug-Solos innerhalb eines Bandauftritts ist noch mal eine ganz andere, die Menschen sind dann gewillter zuzuhören. Das habe ich nach dem Solo beim Spiel mit der Band wieder deutlich gespürt. Die Gruppen-CD hat sich deutlich besser als die Solo-CD verkauft (lacht).
„Talking to myself“ haben Sie Ihrem Vater gewidmet. Welchen Einfluss hatte er auf Ihren musikalischen Werdegang?
Musiker zu sein ist mein Beruf, aber auch meine Berufung. Es ist etwas, das ich machen muss. Bei mir war vieles darauf ausgelegt, dass ich Musiker werde. Mein Vater Franco Manzecchi war ein berühmter Jazz-Schlagzeuger, der in den 1950ern aus Ravenna nach Paris gezogen war. Wenn kein Schlagzeug zu Hause gestanden hätte, wer weiß, welchen Weg ich dann eingeschlagen hätte. Und er hat mich insofern geprägt, dass er die Musik, die ich so liebe, bestens repräsentiert.
Mein Vater hat mit einigen der großen Stars gespielt wie Chet Baker. Als Kind war ich baff, wenn ich feststellte, mit wie vielen bekannten Künstlern er gearbeitet hat, darunter auch Moustaki, Charles Aznavour und Dionne Warwick. Unsere musikalischen Einflüsse sind jedoch unterschiedlich, er hätte solistisch traditioneller geklungen. Ich habe bewusst den Jazz-Duktus durchbrochen und andere musikalische Formen ausprobiert wie Rock und Free Jazz. Ich wollte ihm mit der CD vielleicht nur sagen: Du hast mich maßgeblich beeinflusst, ich danke Dir, und das wiederum bin ich nun mit 53 Jahren.
Könnte die CD nicht auch „Talking to my father“ (Gespräch mit meinem Vater) heißen?
Nein. Es ist mein Selbstgespräch, das aber natürlich auch die Auseinandersetzung mit meiner Familie enthält. Es ist eher ein Dank an ihn. Beinahe wäre ich wegen meinem Übervater kein Musiker geworden. Als ich anfing, spielte ich mit vielen Musikern zusammen, die auch meinen Vater kannten und mich mit ihm verglichen. Man muss sich frei schaufeln, oder man geht daran zugrunde. Ich habe lange gehadert bis zu dem Zeitpunkt, als ich merkte, jetzt werde ich selbst allmählich gut, jetzt schätzen dich die Musiker und du bist sogar an dem Punkt, Jazz zu lehren und Workshops zu geben.
Hat Sie es nie, wie Ihren Vater, in die Ferne gezogen?
Die Karriere, die ich gemacht habe, ist eine Fügung vieler Faktoren, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein, Kontakte gepflegt zu haben, nicht weggezogen zu sein. Als Kind der Stadt habe ich einen bestimmten Bekanntheitsgrad und Status erlangt. In meinem Alter würde es keinen Sinn machen, woanders hinzuziehen, dann wäre die gesamte Vorarbeit in Gefahr. Heute muss man auch nicht mehr unbedingt in den Metropolen leben, um als Jazzmusiker zu arbeiten.
Die Fragen stellte Karin SteiCD und Konzerte
CD: „Talking to myself“, 12 Euro, erschienen bei Element 113 in Freiburg. http://manzecchi.de
Nächste Konzerte:
5. Februar um 20 Uhr im K9: Gedrat meets Manzecchi,
3. März: Kulturzentrum am Münster: Patrick Manzecchi & Friends feat. Joe Magnarelli