Kommenden Freitag findet erstmals in Konstanz die Nacht der Bibliotheken statt. Wir haben uns mit Ulrike Horn, Leiterin der Stadtbibliothek, über die Zukunft des Lesens und Ausleihens von Büchern unterhalten.
An der Nacht der Bibliotheken wird die neue Saatgutbibliothek eröffnet. Was hat Saatgut mit Büchern zu tun?
Ulrike Horn: Bei diesem neuen Angebot kann man ab 17. März bei uns bis zu 3 Tütchen Saatgut ausleihen und zuhause anpflanzen. Wir hoffen, dass die Kunden im Herbst nach der Ernte uns das Saatgut wiederbringen, damit ein dauerhafter Kreislauf entsteht. Und somit ist das Prinzip einer Bibliothek ausleihen und wieder bringen gegeben. Eine Saatgutausleihe machen bereits einige Bibliotheken. Wir fanden das eine schöne Idee, auch als weiteren Baustein unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Schließlich sind Bibliotheken die Wiege der Nachhaltigkeit. Das Ausleihen und Teilen haben wir erfunden.
Wie kam die Stadtbibliothek durch Corona?
Es war eine anstrengende und schwierige Zeit, weil Bibliotheken in Baden-Württemberg mit Kulturbetrieben gleichgesetzt wurden. Deswegen hatten wir sehr strenge Auflagen, um Kundinnen und Kunden hereinzulassen. Wir konnten kein offener Ort mehr sein, was eine Bibliothek eigentlich ausmacht. Wir haben als eine der ersten Bibliotheken einen Lieferservice aufgebaut. Dafür erhielten wir von unseren Kundinnen und Kunden viel Lob.
Ist die Kundschaft der Stadtbibliothek treu geblieben?
Einen Teil haben wir verloren. Vor allem ältere Leute kommen nicht mehr, weil ihnen die Innenstadt zu voll ist, wie mir erzählt wird. Während Corona haben wir auch eine Schülergeneration verloren, weil wir keine Führungen für Klassen und Kitas anbieten konnten. Aber auch für Menschen, die auf einen kostenlosen Internetzugang angewiesen sind oder sich keine Medien leisten können, war es während der Schließung sehr schwer.
Positiv ist zu erwähnen: Während Corona konnten wir dank Förderprogrammen wie „Neustart Kultur“ digitale Geräte zum Ausleihen anschaffen. Bei uns kann man nun auch unter anderem E-Book-Reader, eine Wärmebildkamera, VR-Brillen, Spielkonsolen oder Dia-Scanner ausleihen.
Sie sind nun seit 2009 an der Stadtbibliothek und 2015 Leiterin. Was hat sich in diesem Zeitraum verändert?
Die Digitalisierung ist stark fortgeschritten, was sich auch im unserem Medienangebot niedergeschlagen hat. Wir greifen die aktuellen digitalen Trends auf und versuchen sie anzubieten. So gibt es inzwischen auch Filmstreaming. Musikstreaming sowie digitale Magazine und Zeitungen liefen weniger gut, weshalb wir diese Angebote wieder zurückgezogen haben. Die Konstanzerinnen und Konstanzer springen nicht so sehr auf digitale Angebote an. Viele unserer Kundinnen und Kunden möchten ein Buch in der Hand halten.
Aber manche Bücher gibt ja nur noch in digitaler Form…
Wir können jedes gedruckte Buch am Erscheinungstag kaufen und unbefristet anbieten. Und Bibliotheken zahlen auch Tantiemen. Das ist bei E-Books anders. Viele Verlage wollen Bibliotheken ihre digitalen Bücher nicht wie gedruckte Bücher zur Verfügung stellen. Es gibt Sperrfristen bei Neuerscheinungen und befristete Lizenzen. Und weil es für E-Books keine Buchpreisbindung gibt, werden auch höhere Preise verlangt. Das Thema ist Teil des Koalitionsvertrags der Ampelregierung aber bislang nicht geregelt. Ich habe allerdings keine Sorge, dass es in Zukunft keine gedruckten Bücher mehr geben wird. Beides hat seine Berechtigung.
Was sind neben der Digitalisierung weitere Veränderungen bzw. Schwerpunkte für die Stadtbibliothek?
Ganz neu ist der Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“. Auch wollen wir die Stadtbibliothek noch mehr als öffentlichen Ort und Treffpunkt gestalten. Extrem wichtig ist die Leseförderung, denn die Lesefähigkeit bei Kindern hat stark abgenommen. Wichtig ist auch, die Eltern zu ermutigen: Lest euren Kindern vor. Das ist unglaublich wichtig, damit die Kinder mit Spaß am Lesen groß werden. Wir arbeiten sehr viel mit Kindern, Jugendlichen, Kitas und Schulen zusammen. Kinder können viel besser Lesen lernen, wenn Sie ein Buch in die Hand nehmen und Seiten blättern können.
Bieten Sie Bücher und Medien zu allen Themen an?
Grundsätzlich bieten wir Informationen für alle Lebenslagen an. Vom Kinderkriegen bis zur Grabgestaltung. Wir schauen, was in der Gesellschaft gerade wichtig ist, und versuchen einen ausgewogenen und lektorierten Bestand, sowie breites und fundiertes Wissen anzubieten. Wir haben in Konstanz an der Universität und der HTWG zwei sehr gute Bibliotheken, deshalb bieten wir die ganz tiefe Fachliteratur nicht an. Wir sind für Allgemeinwissen, Alltagsmanagement Freizeitgestaltung und Belletristik zuständig.
Zum Schluss noch Ihr persönlicher Tipp für die Bibliotheksnacht?
Ich bin sehr gespannt auf den Mario Kart Parcours. Und freue mich auf die Lesung mit Axel Fündeling. Aber die Besucherinnen und Besucher werden bei dem tollen Programm die Qual der Wahl haben.
Die Fragen stellte Ralf BaumannNacht der Bibliotheken
Freitag, 17. März, von 18 bis 22 Uhr, Stadtbibliothek
· Eröffnung der neuen Saatgutbibliothek um 19 Uhr mit Bürgermeister Andreas Osner.
· Digitale Bibliotheksrallye
· Analoge und digitale
Spiele- und Erlebniswelt
· Lesung mit Axel Fündeling
· Sternenbeobachtung mit dem Teleskop auf der Dachterrasse
· Traumhaften Geschichten und Basteln in der Kinderbibliothek
· Escape Game (ab 10 Jahren / 18:30, 20:00 und 21:00 Uhr; bitte anmelden unter
bibliothek@konstanz.de
Das komplette Programm unter www.konstanz.de/stadtbibliothek