Rund um Allerheiligen, 1. November, wird traditionell der Toten gedacht. Sterben und Tod gehören zu den Ausnahmesituationen im Leben. Der Konstanzer Michael Richter ist Bestatter und täglich mit dem Tod und der Trauer konfrontiert. Woraus er im Berufsalltag Kraft schöpft, erzählt er im Wochenend-Interview.

Herr Richter, wann waren Sie das erste Mal mit dem Tod konfrontiert?

Michael Richter: Bereits als Kind, da meine Eltern seit 1960 in Konstanz ihr Bestattungsinstitut betrieben. Es war Gang und Gäbe, dass sie am Küchentisch über ihre Arbeit sprachen.

War es klar, dass Sie ins Familiengeschäft einsteigen?

Ich erinnere mich, dass ich im Vorschulalter schon Rechnungen addiert habe, was mir riesig Spaß machte. Es waren eher Kleinigkeiten, die zusammengewirkt haben. Von Seiten meiner Eltern gab es keinen Druck, dass ich auch Bestatter werde. Ich hätte auch studieren oder einen anderen Beruf erlernen können. Etwas anderes als Bestatter wollte ich aber nie werden und auch Konstanz nicht verlassen. Meiner Mutter zuliebe bin ich eine Zeit lang zusätzlich Taxi gefahren, um auch woanders Erfahrungen zu sammeln.

Wie sah Ihre Ausbildung aus?

Nach der Schule habe ich bei meinen Eltern eine Lehre als Bürokaufmann gemacht, da es damals noch keine Lehre zum Bestatter gab. Ich habe dann freiwillig die Prüfung zum Fachgeprüften Bestatter an der Handwerkskammer München 1990 absolviert. Heute ist Bestatter auch ein Meisterberuf und man kann sich z.B. dual zur Bestattungsfachkraft ausbilden.

Bieten Sie dies auch an?

Ja, wir haben die Berechtigung dazu. Leider ist es in der heutigen Zeit sehr schwer Personal zu bekommen und natürlich muss es auch zwischenmenschlich und fachlich stimmen. Wer sich dafür interessiert, kann z.B. ein Praktikum machen, um zu sehen, ob dieser Beruf in Frage kommt und wir können den Bewerber dann auch besser einschätzen. Wir freuen uns auch über Quereinsteiger. Bei uns arbeiten neben Festangestellten auch zehn Teilzeitkräfte, die meisten im Überführungsdienst. Der Bestatterverband bietet eine Vielzahl an Lehrgängen zu allen relevanten Themen an wie Beratungsgesprächen, Gestaltung von Trauerfeiern etc., so dass man sich die Materie gut aneignen kann.

Haben Sie in der Ausbildung auch gelernt mit Trauernden umzugehen?

Ja, das gab es damals schon in meiner Ausbildung. Wir hatten z.B. Module zum Trauergespräch und Trauerpsychologie. Das ist sehr wichtig. Die Menschen, die zu uns kommen, sind in einem emotionalen Ausnahmezustand, das unterscheidet sich stark von anderen geschäftlichen Situationen. Unsere Kunden wollen ja gar nicht hier sein, sie müssen kommen, weil ein Angehöriger verstorben ist. Das kann auch mal dazu führen, dass die Leute aufbrausen, wenn etwas nicht gleich zu ihrer Zufriedenheit funktioniert. Aber meistens entschuldigen sie sich einen Tag später für ihr Verhalten. Trauer und Tod sind eine emotionale Achterbahnfahrt und als Bestatter muss man damit umgehen lernen.

Wie sehen Sie dabei Ihre Rolle?

Wir stehen am Anfang der Trauerbewältigung. Der Bestatter ist der erste Ansprechpartner und Berater für die Bestattung, Trauerfeier und rechtlichen Formalitäten.

Was umfasst Ihre Arbeit?

In der Regel begleiten wir unsere Kunden anderthalb bis zwei Monate. Unsere Arbeit ist sehr vielfältig. Das können z.B. kleine Dinge sein, wie das gemeinsame Gestalten der Traueranzeige, oder wenn kleine Kinder da sind, vorzuschlagen, die Urne oder Sarg von Hand zu bemalen. Wir schalten Todesanzeigen in verschiedenen Zeitungen und verschicken Trauerkarten, gestalten die Trauerfeier, sorgen für Blumen, Musik, einen Pfarrer oder alternativ einen Trauerredner. Und natürlich übernehmen wir die Überführung und die fachgerechte Einbettung und Versorgung des Verstorbenen.

Das Standesamt meldet den Sterbefall ans Notariat, das Nachlassgericht und Finanzamt. Wir führen dann die weiteren formellen Benachrichtigungen durch wie bei der Rentenkasse und anderen Versicherungen, Bank, Krankenkasse etc. Bei Verstorbenen ohne deutsche Staatsbürgerschaft nehmen wir Kontakt zur Botschaft auf. Grundsätzlich organisieren wir weltweit auch die Überführung eines Verstorbenen. Urnen gehen von hier aus zum Beispiel nach den USA oder Indien. Und wir richten auch die Bestattungen von Moslems, Juden, Hindus oder Buddhisten usw. nach ihren Anforderungen aus. Diese Vielfalt macht für mich den Beruf so interessant, jeder Todesfall ist ein bisschen anders gelegen, jedes Mal treffen wir auf neue Kunden mit neuen Bedarfen. Deshalb – so merkwürdig es sich anhören mag – macht mir der Beruf auch Spaß.

Belastet Sie ihr Beruf trotzdem manchmal?

Das fragen mich viele. Meine Einstellung ist, ich bin ja nicht schuld am Tod des Menschen, sondern helfe den Angehörigen, den Tod zu bewältigen. Es gibt natürlich Sterbefälle, die einem menschlich sehr nahe gehen, gerade wenn es Jüngere trifft. Damit ich meine Arbeit gut ausfüllen kann, muss ich trotzdem eine gewisse Distanz wahren und mich auf die Arbeit konzentrieren. Was mich freut ist, wenn die Menschen meine Arbeit schätzen, zum Beispiel den Toten würdig herzurichten. Das graut bestimmt viele Menschen. Aber der Tote wurde ja geliebt und soll im Sarg so gut aussehen, wie es nur geht. Man muss die Würde und den Respekt vor den Verstorbenen erhalten. Das ehrliche Dankeschön, das ich erhalte, baut mich auf und gibt Kraft, dem Nächsten zu helfen.

Ist es sinnvoll schon zu Lebzeiten die eigene Bestattung zu planen?

Für Hausbesitzer ist es normal eine Feuerversicherung zu haben. Auch wenn man sie im besten Fall nie braucht. Sterben wird aber jeder, warum dann nicht vorsorgen? Durch die Bestattungsvorsorge kann man sicher sein, dass die eigenen Wünsche in Erfüllung gehen und den Angehörigen wird Arbeit und Entscheidung abgenommen. Die finanzielle Seite kann man durch ein Treuhandkonto oder eine Versicherung absichern. Wenn ein Vorsorgevertrag abgeschlossen ist, höre ich oft den Satz: „Es war ja gar nicht so schlimm.“

Wie hat Corona Ihre Arbeit beeinflusst?

Menschlich gesehen: Ich bin froh, dass wir hier nicht die Sterbezahlen aus Bergamo hatten. Für die Hinterbliebenen war es schlimm, wenn sie z.B. den Verstorbenen nicht mehr sehen durften. Wir konnten teilweise keine Trauerfeiern mehr in der Trauerhalle veranstalten und was das bei fünf Grad und Regen bedeutet, kann man sich ausmalen. Hinzu kam die Begrenzung der Personenzahl.

Geschäftlich gesehen: Das Schlimmste waren die Verordnungen vom Gesundheitsamt, Friedhofsamt, Bestatterverband, Landesinnung etc., die ständig geändert wurden. Es gab klare Auflagen, wie ein Verstorbener eingebettet werden muss, wie der Sarg zu desinfizieren ist, wie man eine Schutzkleidung entsorgen musste usw. Anfangs hatten wir wie viele Branchen Probleme Schutzausrüstung überhaupt zu bekommen.

Wie sieht Ihre Lebensphilosophie aus?

Unterm Strich denke ich, man sollte das Leben genießen und die Dinge machen, die man will und sollte nicht alles auf später schieben. Vor allem sollte man sich nicht in Streitereien aufreiben. Angenommen es gibt einen Himmel und dort stellt man im Rückblick fest, dass das Leben nur mit Streit verbracht wurde, wäre das nicht sehr erfüllend. Wenn wir das alle beherzigen würden, gäbe es nicht so viele Konflikte und Stress in der Gesellschaft.

Sind Sie religiös?

Nicht im Sinne einer Kirchenzugehörigkeit. Ich bin aber christlich geprägt und glaube an Gott, und dass es weitergeht.

Wie wollen Sie einmal begraben werden?

Ich persönlich bevorzuge eine Erdbestattung. Man kommt natürlich auf die Welt und so möchte ich auch wieder verschwinden.


Die Fragen stellte Karin Stei