Kreisarchäologe Jürgen Hald hat alle Hände voll zu tun. Als kommunaler Archäologe beim Landratsamt Konstanz wird er meist früh in Planungsprozesse eingebunden und gibt seine Stellungnahme zu Bebauungs- und Flächennutzungsplänen, Baumaßnahmen für Wohnbau, Gewerbe, Kiesabbau oder Straßenbauprojekte ab. Er arbeitet eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege zusammen, ist schnell vor Ort und betreut Ausgrabungen.

Grob 250 Stellungnahmen schreibe er pro Jahr. Mindestens gleich viele Bauvorhaben seien zusätzlich zu prüfen. „Ein leichter Hang mit Südostorientierung, Frischwasserversorgung durch einen Bach oder eine Quelle und gute Ackerböden sind wichtige Faktoren für Bereiche, in denen sich Siedler von der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter am ehesten angesiedelt haben“, erklärt der Archäologe. Liegen solche Faktoren vor, werden auch in geplanten Baugebieten, aus denen noch keine archäologischen Funde bekannt sind, systematisch 20 Meter lange, versetzte Baggerschürfe angelegt. Hald sagt: „Ein einzelnes Alemannengrab zu finden, ist natürlich reiner Zufall, aber bei einem römischen Gutshof oder einer größeren Siedlung wird man irgendwo etwas treffen und im Bedarfsfall engere und mehr Schürfe anlegen.“

Kreisarchäologe Jürgen Hald beim Anlegen von archäologischen Baggerschürfen in einem Neubaugebiet in Orsingen im Jahr 2019.
Kreisarchäologe Jürgen Hald beim Anlegen von archäologischen Baggerschürfen in einem Neubaugebiet in Orsingen im Jahr 2019. Bild: Björn Schleicher, Kreisarchäologie Landratsamt Konstanz

Etwa jeder fünfte Fall bringt tatsächlich Funde. Dies zeige, dass hier schon immer ein interessanter Siedlungsraum seit 7500 Jahren war, so Hald. Die Handelswege mit Bodensee und Donau und gute Böden sorgten für eine hohe Dichte archäologischer Denkmäler.

Die Geländetätigkeit mit Kommunen, Bauherren oder Kiesabbaubetrieben ist ein weiteres Tätigkeitsfeld. Jürgen Hald erklärt: „Kleinere Notbergungen zum Beispiel in der Baugrube eines Einfamilienhauses machen mein Mitarbeiter Björn Schleicher und ich mit ehrenamtlichen Helfern selbst.“ Für größere Rettungsgrabungen arbeiten sie seit einigen Jahren mit Fachfirmen zusammen. Die Arbeit habe sich vervielfacht – unter anderem durch die hohe Bautätigkeit und auch durch Nachverdichtungen in Ortskernen, wo man schnell auf Mittelalterreste stoßen könne, die dann Ausgrabungen notwendig machten. „Fast immer schaffen wir es, die Untersuchungen im Vorfeld oder parallel durchzuführen, sodass für Investoren oder Bauherren und Kommunen keine Verzögerungen entstehen.“

Gräberfelder entdeckt

Ihn begeistern Projekte wie das in Güttingen, wo er 2009 ein bronze- und eisenzeitliches Gräberfeld mit Goldbeigaben und Bernstein entdeckte. Oder die jahrelange Untersuchung der Kiesgrube bei Anselfingen, wo auf 8,5 Hektar immer wieder Siedlungsreste verschiedener Epochen freigelegt werden konnten. Auch im Kiesabbaugebiet zwischen Orsingen und Wahlwies wurde zufällig ein bronzezeitliches Gräberfeld entdeckt, das zwischen 1300 und 1200 v. Chr. angelegt wurde. Aus der jüngsten Zeit nennt er die Grabungen an der Neubautrasse der B33 mit wichtigen Fundstellen. Dort wurden eine jungsteinzeitliche Siedlung sowie ein Richtplatz der frühen Neuzeit archäologisch untersucht.

Bei der zeitlichen Einordnung von Fundstücken helfen dem Kreisarchäologen Keramikscherben oder Grabbeigaben. Anhand von Stil, Form und Verzierung könne er diese auf etwa 100 bis 200 Jahre genau einschätzen, Schmuckstücke wie Gewandbroschen sogar im 50-Jahres-Bereich. Außerdem kann die „C14-Methode“, auch Radiokarbondatierung genannt, angewandt werden.

Kreisarchäologe Jürgen Hald (links) und sein Mitarbeiter Björn Schleicher bei Probegrabungen im Jahr 2020 in Welschingen in einem Gelände für eine Fotovoltaikanlage. Sie entdeckten dort frühbronzezeitliche Gräber (ca. 2000 v. Chr.).
Kreisarchäologe Jürgen Hald (links) und sein Mitarbeiter Björn Schleicher bei Probegrabungen im Jahr 2020 in Welschingen in einem Gelände für eine Fotovoltaikanlage. Sie entdeckten dort frühbronzezeitliche Gräber (ca. 2000 v. Chr.). Bild: Björn Schleicher, Kreisarchäologie Landratsamt Konstanz

Alle Funde sind automatisch Landesbesitz. Sie werden im Zentralen Fundarchiv des Archäologischen Landesmuseums in Rastatt endgültig archiviert. Jürgen Hald erläutert: „Wir arbeiten mit Unis wie Freiburg, Tübingen und München zusammen. Unsere Funde wurden schon in Bachelor- und Masterarbeiten sowie mehreren Dissertationen wissenschaftlich ausgewertet.“

Auch Öffentlichkeits-, Bildungs- und Pressearbeit gehören zu seinen Aufgaben. Dazu dienen Vorträge, Führungen, Exkursionen mit dem Hegau-Geschichts-Verein, mit lokalen Museen und anderen Vereinen und Kommunen. „Wir erschließen auch Geländedenkmale für die Öffentlichkeit wie die römischen Gutshöfe in Bargen, Büßlingen und Eigeltingen“, zählt Jürgen Hald auf. Bisher hat er die archäologischen Veranstaltungen verschiedener Anbieter im Flyer „Treffpunkt Archäologie“ gesammelt. Künftig wird es dieses Angebot unter www.archaeologie-landkreis-konstanz.de online geben.

Jürgen Hald ist den ehrenamtlich Tätigen, die auf Baustellen helfen, und den interessierten Burgenforschern, die Funde abliefern, Kartierungen machen und wissenschaftlich arbeiten, dankbar. Auch die Kommunen lobt er. Es gebe ein hohes Verständnis für das Anliegen, das Kulturerbe zu dokumentieren. Hald ist überzeugt: „Damit bieten wir ein interessantes Angebot für Einheimische, Gäste oder Fachkräfte, die herziehen wollen, und tragen zum allgemeinen öffentlichen Kulturangebot bei.“

Zur Person

Nach dem Abitur absolvierte Jürgen Hald, Jahrgang 1966, von 1988 bis 1994 sein Studium an der Universität Tübingen. Sein Hauptfach war Vor- und Frühgeschichte, als Nebenfächer belegte er Anthropologie und Geologie. Ein Semester verbrachte er in Kiel. Ab 1995 begann er mit der Promotion. Für seine Doktorarbeit zum Siedlungsraum im Bereich Tübingen trug er alle Dinge aus der Eisenzeit zusammen und rekonstruierte die regionale keltische Besiedlungsgeschichte. Seit 2001 ist er Kreisarchäologe im Landkreis Konstanz und damit Nachfolger von Jörg Aufdermauer, der dieses Amt 28 Jahre lang innehatte. Nachdem er die eigentliche Auswertung seiner Recherchen parallel zur Arbeit als Kreisarchäologe vorgenommen hatte, schloss Hald seine Promotion an der Universität Tübingen im Jahr 2008 ab.