Die deutsch-brasilianische Sängerin, Komponistin und Aktivistin Bê Ignacio hat diese Woche ihr neues Album „Amazônia“ veröffentlicht. Wie der Titel schon andeutet, spielte der bedrohte Regenwald Brasiliens eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Albums. Was Bossa Nova, Klassik und Umweltschutz miteinander zu tun haben, verrät Bê Igancio im Interview mit dem Anzeiger.

Bê, erzähl uns doch bitte, wie und wo dein 6. Album „Amazônia“ entstand?

Bê Ignacio: Ich komme aus Sao Paulo und habe wie viele Brasilianer indigenes Blut. Eines meiner früheren Alben heißt „India Urbana“, d.h. Stadtindianerin. Schon als kleines Mädchen habe ich mich für den Amazonas interessiert. 2019 habe ich in Konstanz die Indigene Vandria Borari vom Volk der Borari kennen gelernt, die auf die schlimme Situation ihrer Heimat aufmerksam machte und uns in den Amazonas eingeladen hat. Ich hätte nicht erwartet, dass dort so viel mit mir passieren würde. Es gibt für mich ein Leben vor und nach dem Amazonas. Plötzlich kamen die Inspirationen. Wir wurden dort so herzlich und großartig empfangen, und haben dann mit der Frauengruppe „As Karuana“ gemeinsam die Single „Amazônia“ aufgenommen.

„Amazônia“ klingt für mich wie ein Konzeptalbum…

Durchaus! Jeder Song hat ein Streicherarrangement und ein durchgehendes Percussion-Element, das für den Amazonasfluss steht. Gitarre, Streichquartett und Stimme, das Album ist anders als alles, was wir bisher gemacht haben. Es ist ein Album zum Hinhören. Ich komme aus einer Familie, in der klassische Musik gespielt und gehört wurde, ich selbst habe Geige gespielt. Deshalb wollte ich schon immer mit einem Streichquartett arbeiten.

Das Album beschäftigt sich mit der Lage im Amazonas, der von Abholzung bedroht ist. Wird sich daran nach der Abwahl von Brasiliens Präsident Bolsonaro ändern?

Ja, man spürt schon eine Veränderung. Ich war bei den Wahlen in Brasilien, man hat vor allem die Hoffnung gespürt. Bolsonaro hat den Hass gegen Schwarze, Frauen, Indigene und Arme offen ausgesprochen und geschürt. Ich hoffe, dass die Menschen jetzt wieder Respekt erfahren. Die Indigenen schützen die Natur, das haben wir vor Ort selbst erlebt. Und ich hoffe, dass durch die Unterstützung der neuen Regierung Lula mehr passieren kann und hoffentlich auch wird.

Wenn weiter abgeholzt wird, weiß ich nicht, wie unsere Zukunft wird. Das wird immer mehr Menschen klar. Der Amazonas ist überall. Alles hängt zusammen. Was ich hier in Konstanz mache, hat Auswirkungen auf die ganze Welt.

„Amazônia“ ist mehr eine Mission als ein Album. Früher habe ich einfach Musik gemacht, auf Partys gespielt und meinen Lieblingsstrand besungen. Doch es geht nicht mehr, einfach nur zuzuschauen, wie alles den Bach runter geht. Das Thema hat mich schon mein ganzes Leben lang beschäftigt. Und wird mich auch weiterhin beschäftigen. Allerdings fühlt es sich oft wie ein Tropfen auf den heißen Stein an.

Bê Ignacio und Vandria Borari wollen gemeinsam den bedrohten Amazonas-Regenwald schützen.
Bê Ignacio und Vandria Borari wollen gemeinsam den bedrohten Amazonas-Regenwald schützen. Bild: Holger Hage

Du bist Mitbegründerin des Vereins „Pro Amazonia Konstanz“. Wie kam es dazu?

Nach dem Vortrag von Vandria Borari im Palmenhaus im Paradies hat sich 2019 eine Unterstützergruppe gegründet. Wir wollten eine Brücke zwischen Konstanz und dem Amazonas schlagen. Wir haben uns dann an die Stadt gewandt. Der Gemeinderat unterstützte unser Projekt, und so kam es zu einer Partnerschaft zwischen Konstanz und den Borari. 2020 wurde der gemeinnützige Verein ProAmazonia gegründet. Seitdem haben wir in Konstanz zwei Tage des Amazonas veranstaltet und trotz Pandemie einige Aktionen mit den Borari verwirklicht. Im November 2023 ist der nächste geplant.

Wie werden die Borari konkret unterstützt?

Während der Corona-Pandemie haben wir die Borari mit Carepaketen unterstützt. Aktuell fördern wir Umweltprojekte und Kulturzentren. Das ist eine sehr intensive Arbeit.

Wie bringst du deine Botschaft bei Livekonzerten auf die Bühne?

Für viele Menschen ist ein Konzert von mir wie ein Kurzurlaub. Das ist gut so, ich möchte Freude und Leichtigkeit vermitteln. So bin ich auch. Bei aller Ernsthaftigkeit der Welt, ist diese Leichtigkeit wichtig. So wie ich es auch im Amazonas erlebt habe, dort treffen sich die Menschen jeden Donnerstag zum Singen und Musizieren. Nur dank der Kraft der Musik und des Feierns kannst du dich mit den ernsthaften Themen beschäftigen. Dadurch gewinnt man Energie und wird nicht zu verkopft.

Bei meinem Konzert möchte ich also die schönen Seiten Brasiliens zeigen, aber auch die schwierigen und bedrohlichen Dinge bewusster machen. Letzten Sommer haben wir auf unserer Tournee immer eine Liveschaltung mit Zoom nach Brasilien gemacht und gemeinsam mit den Frauen im Amazonas gesungen.

Wo kann man dich demnächst live erleben?

Am 23. März werden wir im ARD/ZDF-Morgenmagazin im Fernsehen das Album vorstellen. Wir werden dort auch zum ersten Mal „Amazônia“ live spielen. Wir haben noch weitere Live-Auftritte geplant, auch wieder einen Auftritt auf der Kulturbühne am See in Allensbach. Außerdem werden wir am 5. Mai im Lago-Center auftreten, wo ich dieses Jahr bei der Sommerkampagne mitgemacht habe.

Zum Abschluss eine Frage zur wichtigsten Nebensache der Welt: Wie haben Du und dein Partner Markus als deutsch-brasilianisches Paar das legendäre WM-Halbfinale Brasilien-Deutschland (1-7) erlebt?

Wir sind beide Fußballfans. Bis zu diesem Spiel haben wir die WM 2016 gemeinsam angeschaut und gefeiert (lacht). Wegen unserem damals aktuellen Album waren wir viel in den Medien, ich hatte an diesem Tag 27 Interviews, vor dem Spiel einen Auftritt in Koblenz und zwei Journalisten saßen für Live-Interviews mit uns am Tisch um das Spiel anzuschauen…als ich spätestens nach dem dritten Tor Tränen in den Augen hatte und es mir die Sprache verschlagen hatte haben sie nur noch Markus interviewt (lacht). Die Niederlage war für mich echt schlimm, mehr kann ich dazu nicht sagen. Der brasilianische Fußball geht schon länger durch eine Krise, es ist nicht mehr wie früher. Und Pele ist nun auch gestorben…

Die Fragen stellte Ralf Baumann