Abseits, Handspiel, Foulspiel – oder doch nicht, Strafstoß? – strittige Szenen, wie diese in jedem Spiel der Amateure bis hin zur Bundesliga in 90 Minuten mehrfach vorkommen. Während die Fußball-Schiedsrichter im Amateurbereich weitgehend auf sich alleine gestellt sind, gibt es im Profibereich neben den Assistenten an der Seitenlinie seit der Saison 2017/18 den Video-Assistenten (VAR).

„Die Bilder angucken, dann entscheiden, was richtig ist? So einfach geht es nicht“, erklärte Markus Schmidt den Kollegen der Schiedsrichtergruppe Schwarzwald bei der Jahresversammlung in Titisee-Neustadt. Er ist einer, der es wissen muss: Der 48-jährige Schiedsrichter vom SV Sillenbuch leitete 197 Spiele der Fußball-Bundesliga und 177 Partien der Zweiten Liga. Nach Erreichen der Altersgrenze fungiert der dreifache Familienvater nun als VAR.

Sieben Kameras stehen in der Zweiten Liga am Spielfeldrand, in der Bundesliga sind es deren 21 bis 28 Kameras. Im bei den Fans und Vereinen wenig beliebten „Kölner Keller“ werden die strittigen Szenen durch den VAR mehrfach begutachtet. Unterstützt wird dieser durch einen Operator, der die Kamerabilder und betroffenen Szenen eines Spiels bei Bedarf auswertet und einspielt.

Die Aufgaben des VAR sind komplex, was für den Stadionbesucher und Fernsehzuschauer nur schwer erkennbar ist. Nur bei der Torerzielung, Strafstoß, Feldverweis und Spielerverwechslung hat dieser ein Eingriffsrecht. Wie auch bei klaren, offensichtlichen Fehlentscheidungen. Die Kommunikation zwischen dem VAR und dem Schiedsrichter sieht Schmidt als Schlüssel zum Erfolg, „um den Fußball gerechter zu machen, verbunden mit der Bereitschaft des Schiedsrichters zur Veränderung“.

Eingriff nur bei klaren Fehlern

Eine Eingriffsschwelle durch den VAR wird es nach Einschätzung des ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters auch weiterhin geben. Dies aber nur bei klaren und offensichtlichen Fehlern sowie Wahrnehmungsfehlern des Unparteiischen. Wichtig: „Nur der Schiedsrichter trifft die endgültige Entscheidung“, so Schmidt. Anhand von zahlreichen Film-Sequenzen aus dem „Kölner Keller“ erläuterte er die komplexen Vorgänge eines Video-Checks. „Dies braucht einiges an Zeit, der Operator spielt die Szenen aus verschiedenen Positionen mehrfach ein“, wie auf der großen Leinwand gut zu erkennen ist. Dazu das Stimmengewirr des Schiedsrichters, VAR und Operators.

Schmidt lässt die Schwarzwälder Kollegen die vermeintlich richtige Entscheidung Voten. Diese fällt mit der Quote von etwa 50:50 unterschiedlich aus und verdeutlicht, dass es durchaus schwer sein kann, ein absichtliches Handspiel mit Ballberührung am Oberarm zu erkennen. Oder, dass der Spieler sich im Fallen einfach nur abstützen will und dabei den Ball an den Oberarm bekommt. Hat man in Köln die Bilder für die richtige Entscheidung gesichtet, sagt Schmidt dem Kollegen auf dem Rasen, „geh raus, schau es dir nochmals am Monitor an“. Interessant: Die Übereinstimmung zwischen VAR und SR liegt am Ende bei über 99 Prozent.

Die Einführung des Video-Beweises hat den Fußball gerechter gemacht. Der VAR hat den Fußball verändert, „es hat aber alles seinen Preis“. Und trotzdem räumt Schmidt, inzwischen im zivilen Leben Personalleiter des S-Bahn Stuttgart ein, „dass es auch künftig Fehler geben wird, wir sind alles nur Menschen und die machen auch Fehler“.

Am Ende gibt es des Referats gibt es Beifall auf offener Szene von den Schwarzwälder Kollegen. „Der Vortrag hat dem letzten die Schwierigkeiten im Kölner Keller klargemacht“, resümierte Tobias Döring und überreichte mit seinem Stellvertreter Sven Pacher einen Schwarzwälder Vesperkorb.