Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen: Das dachten sich auch die Verantwortlichen des Odessa Museum of Western and Eastern Art, denn sie wollten auch im Krieg ihre Kunst zeigen und vermitteln. Deshalb luden Anastasia Frankova, Senior Research Fellow des Museums, und ihr Team Kinder und deren Eltern in den eigenen Luftschutzbunker ein, um ihnen einige zum Nachdenken anregende Gemälde zu zeigen und die Kinder ihre Gedanken und Eindrücke darüber teilen zu lassen. Es war Kunstunterricht der besonderen Art.

Ablenkung vom Krieg

Ein paar Dutzend Kinder sind mit ihren Eltern in den Luftschutzbunker gekommen, um Anastasia Frankova zuzuhören. „Kinder bleiben auf jeden Fall Kinder und es ist sehr wichtig, sie vom Krieg abzulenken“, sagt sie. „Deshalb habe ich Gemälde der Künstler Johannes Vermeer, Picasso, Raphael, Jacob van Ruisdael und Maurice de Vlaminck präsentiert.“ Sie selbst mag die Kunstwerke und konnte so ihre Leidenschaft für Kunst weitergeben. „Ich habe versucht, sie wirken zu lassen und das Interesse der Kinder zu wecken“, so Anastasia Frankova.

Die Kinder im Odessa Museum of Western and Eastern Art, verfolgten sehr aufmerksam die Ausführungen von Anastasia Frankova.
Die Kinder im Odessa Museum of Western and Eastern Art, verfolgten sehr aufmerksam die Ausführungen von Anastasia Frankova. Bild: Nina Lyashonok

Kinder beteiligen sich

Am Anfang seien sie ängstlich und zurückhaltend gewesen, ihre Gedanken zu äußern. Meistens haben sie zugehört, ohne groß auf die Bilder zu achten. Aber mit zunehmender Zeit haben sich die Kinder geöffnet. „Dann haben sie über die Bilder gesprochen und ihre Gedanken geteilt“, sagt sie voller Freude. „Dabei war wichtig, dass die Kinder das sagen konnten, was sie persönlich sehen, und nicht das zu wiederholen, was sie gehört haben.“

Anastasia Frankova hat schon vor dem Krieg ähnliche Veranstaltungen angeboten. Und eines sei gleichgeblieben: „Kinder fühlen sich beim Betrachten wohl und bemerken oft Details, die ich jahrelang nicht sah“, erklärt sie. „Vor allem in der jetzigen Zeit ist es wichtig, ein kulturelles Angebot zu bieten.“ Vor allem deshalb, damit die Kinder eine Möglichkeit bekommen, sich austauschen. „Als Kind war ich sehr oft im Museum für westliche und östliche Kunst“, so Anastasia Frankova. „Und ich war jedes Mal glücklich, wenn ich meine Meinung zu den Gemälden äußern konnte.“

Die Kinder im Odessa Museum of Western and Eastern Art verfolgen sehr aufmerksam die Ausführungen von Anastasia Frankova.
Die Kinder im Odessa Museum of Western and Eastern Art verfolgen sehr aufmerksam die Ausführungen von Anastasia Frankova. Bild: Nina Lyashonok

Olga Nemilimko kam mit ihrer neunjährigen Tochter in den Luftschutzbunker des Museums. „Ich wollte ihr zeigen, dass Kunst unvergänglich ist“, sagt sie. „Einige dieser Bilder wurden vor 400 Jahren gemalt. Seitdem hat es viele Kriege gegeben und alle sind früher oder später vorbei gewesen – das Bild ist aber nimmer noch da.“ Die Mutter ist davon überzeugt, dass die Zeichnungen den Sieg menschlicher Werte und den Sieg der Schöpfung über die Zerstörung symbolisieren. „Das ist gerade in diesen Tagen ein sehr wichtiger Punkt“, sagt Olga Nemilimko.

Fast wie eine Zeitmaschine

Artjom ist gerade erst zehn Jahre alt und war ebenfalls dabei. „Ich habe mir die Bilder gerne angesehen. Heute haben wir eine Fotokamera und ein Handy, um Fotos zu machen, aber früher war das nicht so“, sagt er. „Die einzige Möglichkeit für Menschen, einen Teil der Realität einzufangen, war damals das Malen.“ Er war von einem Porträt eines alten englischen Königs fasziniert und sagt dazu: „Ohne diese Zeichnungen hätten wir keine Vorstellung davon, wie er ausgesehen hat“, sagt er. „Was ich heute gelernt habe, ist, dass Maler nicht einfach etwas gezeichnet haben, sie wollten etwas ausdrücken, was ihnen persönlich wichtig war.“ Es sei also tatsächlich so, dass der Künstler mit seinem Kunstwerk kommuniziert. „Es war großartig“, schwärmt Artjom. „Das war schon fast wie eine Zeitmaschine.“

Bild: privat

Die Kraft der Kunst verzauberte

Elf Jahre alt ist Anja. Sie freute sich, dass sie in den Zeiten, in denen die Museen geschlossen haben, die Möglichkeit bekommen hat, doch Kunst anzuschauen. „Als ich davon mitbekommen habe, dass es so eine Veranstaltung gibt, wollte ich unbedingt hin“, sagt sie. „Die Referentin war sehr nett“, sagt sie. „Es war, als ob wir alle von der Kraft der Kunst verzaubert worden wären.“

Kristina Vedeneeva ist selbst Malerin und Mutter eine Tochter. „Sie ist zwar noch sehr jung, zeichnet aber bereits sehr gerne“, sagt sie. „Ich nutze jede Gelegenheit, um sie an die bildende Kunst heranzuführen.“ Im Museum habe sie sehen können, was man mit viel Fleiß und Engagement erreichen kann. Zudem konnte sie sich mit anderen Kindern austauschen, die ähnliche Interessen haben. „Das Leben geht trotz des Krieges weiter“, betont Kristina Vedeneeva. „Deshalb sind solche Ereignisse super wichtig, um uns Erwachsene daran zu erinnern und Kinder von dem Schrecken abzulenken.“