Die ukrainische Hafenstadt Odessa wird in den vergangenen Wochen immer wieder von heftigen Raketeneinschlägen getroffen. Leider trifft es bei weitem nicht nur sogenannte militärische Ziele, sondern auch immer häufiger zivile Gebäude wie Einkaufszentren und Wohnhäuser. Die Folgen sind dabei nicht selten verheerend: Neben immer mehr Opfern gibt es auch immer mehr stark verwundete Personen. Ein effektives Mittel, solchen Verwundeten zu helfen, sind sogenannte Tourniquets. Das ist ein Abbindesystem, durch das per Druckverband eine Blutung schnell gestoppt werden kann. Vor allem, wenn die verwundete Person an Venen oder Arterien verletzt ist. Allerdings sollte so ein Tourniquet möglichst schnell angelegt werden. Damit können vor allem im Krieg Leben gerettet werden.

Der US-amerikanische Kriegsveteran Max Moore hilft in Odessa, in dem er sein medizinisches Wissen weitergibt.
Der US-amerikanische Kriegsveteran Max Moore hilft in Odessa, in dem er sein medizinisches Wissen weitergibt. Bild: Nina Lyashonok

Einer, der dieses Abbindesystem und die Anwendung sehr gut kennt, ist Max Moore. Er ist ein US-amerikanischer Kriegsveteran, der mit den US-Marines bereits im Irak, in Afghanistan, Dschibuti und Osttimor als Sanitäter im Einsatz war. „In meiner Zeit im Krieg habe ich schreckliche Dinge gesehen, die sich Menschen gegenseitig antun, wenn sie vergessen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind“, sagt er selbst. „Ich bin davon überzeugt, dass die Welt zu klein und das Leben zu kurz ist, um sich gegenseitig mit Kriegen zu bekämpfen.“

Max Moore und sein Konzept

Deshalb machte sich Max Moore auf in die Ukraine, um seine Kenntnis an die Zivilbevölkerung weiterzugeben. Allerdings sah er sich mit einem Mangel an Grundausbildung und vor allem Materialien konfrontiert. Es gab schlichtweg so gut wie keine Tourniquets. Deshalb beschloss er kurzerhand, ein Konzept zu erarbeiten, wie man so ein Abbindesystem selbst herstellen kann – und zwar mit Materialien, die es in der Ukraine gibt. Mittlerweile hat er schon mehr als ein Dutzend medizinische Schulungen gegeben, in denen er den Bewohnern von Odessa beibrachte, wie man solche Tourniquets herstellt.

So sieht das selbstgebaute Tourniquet, das Max Moore entwickelt hat, aus, mit dem man eine Blutung effektiv stoppen und damit Leben retten kann.
So sieht das selbstgebaute Tourniquet, das Max Moore entwickelt hat, aus, mit dem man eine Blutung effektiv stoppen und damit Leben retten kann. Bild: Nina Lyashonok

Hilfe ohne Sprachkenntnis

„Ich bin zum ersten Mal in der Ukraine“, erzählt Max Moore. „Ich spreche die Sprache nicht, kann aber dennoch den Menschen vor Ort die Notfallmedizin vermitteln.“ Damit möchte er jedem beibringen, wie man im Falle eines Raketeneinschlages schnellstmöglich Leben retten kann. „Alles, woraus ein Tourniquet besteht, wurde in Odessa gekauft“, erklärt er. „Dies sind ein Gurt, ein Nylonband, vier Ringe und ein Klettverschluss.“ Die Kosten für eine solche Ausrüstung liegen bei etwa drei Dollar. Um das ganze zusammenzubauen, dauert es nur 15 Minuten.

„Ich bin gekommen, um Medizin zu lehren, Probleme zu lösen und Freundlichkeit zu teilen“, sagt der US-Veteran. „Ich kann kaum mehr als ‚Bitte‘ und ‚Danke‘ auf Ukrainisch sagen, aber die Menschen spüren, dass sich helfen möchte.“ Und einen Satz hat er auch ganz schnell in der Landessprache von Odessa gelernt, den er immer wieder weitergibt: „Ich habe keine Angst“.

So sieht das selbstgebaute Tourniquet, das Max Moore entwickelt hat, aus, mit dem man eine Blutung effektiv stoppen und damit Leben retten kann.
So sieht das selbstgebaute Tourniquet, das Max Moore entwickelt hat, aus, mit dem man eine Blutung effektiv stoppen und damit Leben retten kann. Bild: Nina Lyashonok

Hilfe gegen Schwarzmarkt

Mit seiner Idee, den Ukrainern etwas mit an die Hand zu geben, mit dem sie Leben retten und das sie sogar selbst herstellen können, ist er gerade jetzt nicht nur in Odessa sehr willkommen. Damit hilft er aber nicht nur den Menschen, sondern indirekt auch der dortigen Wirtschaft. „Jeder kann so ein Tourniquet mit Teilen aus dem örtlichen Baumarkt herstellen“, erklärt Max Moore. Zudem ist er sich sicher: „Damit wird sogar gleichzeitig der aktuell herrschende Schwarzmarkt untergraben.“

Dieses selbst konstruierte Abbindsystem könne nicht nur bei jedem Raketenangriff Leben retten, sondern sei selbstverständlich auch an der Front einsetzbar, betont der US-Veteran, dem die Gegenwehr der Ukrainer durchaus imponiert. „Ihr Mut inspiriert mich durchaus“, sagt er. „Das zeigt mir, wie wichtig es ist, ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.“