Legehennen mit Bodenhaltung haben ein sehr beschwerliches Leben. Bis sie mit etwa 20 Monaten zum Metzger kommen, nämlich dann, wenn sie aus ihrem Legehennen-Betrieb ausgestallt werden, haben sie häufig nicht einen Tag lang Tageslicht gesehen. Geschweige denn auf einer Wiese Gras gepickt oder sich im Sand gesuhlt. Dafür haben sie wie ein Uhrwerk jeden Tag ein Ei gelegt.

Alles dreht sich ums Eierlegen

Mit etwa 18 Wochen werden die Tiere in einem Großbetrieb eingestallt. Ab dann ist ihre einzige Lebensaufgabe, möglichst viele Eier zu legen. Nach 14 bis 16 Monaten nimmt die Leistung der Legehennen etwas ab, so dass sie in der Regel sie ausgestallt werden. Das bedeutet für die Tiere, dass sie nicht mehr gebraucht werden und ausgedient haben. Deshalb landen sie normalerweise direkt nach dem Ausstallen beim Metzger.

Ein gerettetes Huhn
Ein gerettetes Huhn Bild: Nic Dilger

Vom Stall zum Metzger

Vereinzelt werden sie als Suppenhühner verwendet, meistens allerdings werden sie nach der Schlachtung industriell verwertet. Das bedeutet, dass sie zu Hunde- oder Katzenfutter verarbeitet werden. In Deutschland haben 2020 Legehennen in Betrieben mit mindestens 3000 Hennenhaltungsplätzen insgesamt 12,9 Milliarden Eier gelegt. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass das 3,4 Prozent mehr sind als im Jahr zuvor. Alleine diese Zahlen lassen erahnen, wie viele Hühner in Bodenhaltung es alleine in Deutschland gibt.

Nic Dilger rettet Hühner

Es landen aber nicht alle Hühner unterm Messer, denn in Tettnang gibt es jemanden, der seit etwa drei Jahren alles versucht, so viele Legehennen wie möglich nach der Ausstallung zu vermitteln: Nic Dilger. Der 18-Jährige hat es durch seinen Einsatz für das gefederte Vieh schon bis in verschiedene Fernseh-Kanäle und in die Bildzeitung geschafft. „Die Hennen tun mir einfach leid“, sagt er. „Vielleicht ist die Legeleistung nach 16 Monaten nicht mehr ganz so wirtschaftlich wie am Anfang; die Tiere aber einfach zu schlachten, halte ich für keine gute Lösung.“ Deshalb hat er sich schon über die Region hinaus einen Namen als Hühner-Retter gemacht.

Nic Dilger zeigt, wie die geretteten Hühner transportiert werden. In jeder Box befinden sich acht Hühner. Das Bild entstand bei einer früheren Hühnerrettungs-Aktion.
Nic Dilger zeigt, wie die geretteten Hühner transportiert werden. In jeder Box befinden sich acht Hühner. Das Bild entstand bei einer früheren Hühnerrettungs-Aktion. Bild: Jäckle, Reiner

2021 rettete er etwa 3000 Tiere

Im vergangenen Jahr war er bei etwa 20 Rettungs-Aktionen dabei und hat schätzungsweise mehr als 3000 Tiere gerettet. „Man muss wissen, dass die Hühner zwar teilweise ziemlich gerupft aussehen, sie legen aber immer noch ziemlich viele Eier“, betont der 18-Jährige, der selbst jede Menge hat und täglich versorgt.

Nun ist es wieder so weit: Am Samstag, 23. April, hat Nic Dilger wieder etwas Größeres vor. Er wurde von einem Legehennen-Betrieb im Bodenseeraum informiert, dass dort mehr als 1000 Hennen ausgestallt werden. „Als mir der Betreiber das sagte, habe ich sofort gesagt, dass ich versuchen werde, die Tiere unterzubekommen“, erinnert sich der Tettnanger. „Wir haben schon öfter kooperiert, deshalb gibt es da bereits ein gewisses Vertrauen.“

Suche nach Plätzen

„Ich bin bereits seit einigen Wochen dabei, Plätze zu suchen“, berichtet Nic Dilger. „Es haben sich sogar schon Leute aus Karlsruhe gemeldet, die an dem Samstag extra aus Karlsruhe nach Tettnang fahren, um drei Hühner zu holen.“ So hat er aktuell schon etwa 200 Hühner vermittelt. Das ist allerdings weniger als ein Fünftel der Tiere. „Wir brauchen noch ganz dringend weitere Plätze“, appelliert der Hühner-Retter an die Seewoche-Leserinnen und -Leser. „Vor allem, wer schon Hühner hat, der kann in der Regel einfach nochmal zwei, drei oder vier Tiere dazu nehmen.“

Trotz des dringenden Platzbedarfes achtet der 18-Jährige darauf, wohin die Hennen vermittelt werden. Deshalb sollten Interessenten baldmöglichst ein Bild vom Stall und vom Auslauf der Tiere an Nic Dilger schicken. „Wir haben extra einen Übergabeort auch im Seewoche-Gebiet herausgesucht“, sagt der Tettnanger. „Dann ist der Fahrtweg für potentielle Abnehmer nicht ganz so weit.“

Ein gerettetes Huhn
Ein gerettetes Huhn Bild: Nic Dilger

Es fehlen noch 800 Plätze

„Wir hoffen sehr, dass wir für alle Tiere einen Platz finden werden“, sagt Nic Dilger. „Das ist sicher ein ambitioniertes Ziel, aber die Hoffnung ist groß, dass wir es schaffen werden.“ Vor allem, weil der letzte Aufruf in der Seewoche im vergangenen Jahr äußerst erfolgreich verlief. „Wir freuen uns über jedes gerettete Huhn“, betont er. Die Legehennen haben entbehrungsreiche Monate hinter sich in einer quälenden Enge und nur darauf bedacht, Eier zu legen. „Sie haben noch nie in der Erde gescharrt, im Sand gebadet oder irgendetwas kennengelernt, was ein Huhn für ein erfülltes und wesensgerechtes Leben bräuchte“, beschreibt Nic Dilger. „Nach dieser Zeit der Ausbeutung haben sie es einfach verdient, noch ein klein wenig erfülltes Leben zu leben.“

Deshalb darf die Frage an dieser Stelle gestellt werden: „Wer kann den Hühnern zeigen, wie sich frische Luft und Sonne auf der Haut, Erde und Gras unter den Füßen, ein wohltuendes Sandbad im Gefieder, ein geschütztes eigenes Nest zum Rückzug und eine beruhigende Gemeinschaft in einer kleinen Hühnergruppe anfühlt?“

Voraussetzung für die Übernahme von mindestens zwei Hennen ist eine artgerechte Haltung. „Die Hühner sollten etwas Auslauffläche haben und einen Stall, der pro drei Hühner etwa einen Quadratmeter Platz hat“, erklärt Nic Dilger. Das Ganze könne im Garten, auf einem gepachteten Grundstück oder in einer Landwirtschaft sein. „Man sollte den Hühnern jeden Tag etwas zum Picken und etwas zum Trinken geben“, erklärt er weiter. „Die Hühner sind eigentlich recht pflegeleicht und danken es mit einem regelmäßigen Frühstücksei.“

Für viele ist das Aussehen der Hühner häufig etwas abschreckend, weil sie meistens deutliche Löcher im Gefieder haben, vor allem am Hals, auf dem Rücken und an den Schwanzfedern. Auf den ersten Blick sehen sie sehr gerupft aus. „Sie erholen sich meistens sehr schnell, wenn sie sich wohlfühlen“, berichtet der Hühner-Retter. „Es kommt nicht selten vor, dass sie sogar zutraulich werden und man sie bald streicheln kann.“ Und ganz nebenbei: Wer ein Tier retten möchte, muss noch nicht mal zahlen dafür. Die Übergabe findet kostenlos statt, wobei Spenden willkommen sind, mit denen die Unkosten der Rettung getragen werden.