Das Bodenseefelchen ist der Traditionsfisch am See. Allerdings ist der Bestand in den vergangenen Jahren massiv rückläufig. Nun wurde bekannt, dass die Internationale Bevollmächtigungskonferenz für die Bodenseefischerei im Juni tagt und über adäquate Maßnahmen nachdenkt. Eine davon ist eine ganzjährige Schonzeit für das Felchen. Wir haben mit der Vorsitzenden des Verbandes Badischer Berufsfischer, Elke Dilger aus Meersburg, über das Felchen, den Rückgang, die Pläne des Fangverbotes und ihre Vorschläge gesprochen.

Frau Dilger, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie gehört haben, dass die Internationale Bevollmächtigungskonferenz für die Bodenseefischerei darüber nachdenkt, eine ganzjährige Schonzeit für das Felchen zu beschließen?

Dass man über eine weitere Schonung für das Felchen reden muss, ist keine Frage. Das Felchen hat jetzt schon eine Schonzeit vom 15. Oktober bis 10. Januar. Am Bodensee wird schon immer eine nachhaltige Fischerei betrieben, welche von drei Ländern am See verwaltet wird. Die geplante ganzjährige Schonzeit hätte für die Fischerei gravierende Einschränkung, die den gesamten Fischfang von uns beträfe. Eine Schonung des Fischbestandes muss alle Faktoren berücksichtigen, nicht nur die Berufsfischerei, die übrigens ein verschwindend geringer Grund ist, warum es solch eklatante Rückgänge beim Bestand der Felchen gibt.

Wäre dieser Entschluss das endgültige Aus für die Berufsfischerei am Bodensee?

Das ist vielleicht etwas dramatisch formuliert. Aber es wäre ein riesiger Einschnitt, weil durch die Felchenschonzeit Fänge auf andere Fischarten wie beispielsweise das Rotauge und Saibling mit betroffen wären. Durch diese Einschränkung wäre unser Berufsstand sicherlich bedroht. Und eines darf man nicht vergessen: Bei der ganzen Diskussion geht es um ein Nahrungsmittel, eine Delikatesse und einen Tourismusfaktor, denn das Blaufelchen gibt es nur im Bodensee. Deshalb hat es als Bodenseefisch dazu beigetragen, den Tourismus in der Region groß zu machen.

Sie meinen, man lockt Gäste mit dem Bodenseefisch an?

Genau. Und es gibt nachweislich immer weniger Bodenseefisch. Ich habe manchmal das Gefühl, dass viele meinen, dass Fische im Bodensee die Normalität sind. Das ist aber schon lange nicht mehr selbstverständlich. In den vergangenen Jahren hätten die vielseitigen Probleme zum Thema Wildfisch wie Kormoranbestand, Nahrungskonkurrenz und Futtermangel schon längst betrachtet und gehandelt werden können. Leider wurde diesbezüglich viel zu wenig gemacht. Schließlich geht es um ein hochwertiges und gesundes Nahrungsmittel, bei dem das Tierwohl großgeschrieben wird, denn das Felchen ist, bis es gefangen wird, im Bodensee in freier Wildbahn und kann sich völlig frei bewegen.

Wie viel Felchen haben Sie dieses Jahr schon gefangen?

Ich bin ja nur noch sporadisch auf dem See und habe mich beruflich bereits umorientiert. Im vergangenen Jahr war bei mir der schlechteste Fangtag mit zwei Felchen im Netz. Im Sommer 2022 gab es nicht wenige Berufsfischer, die den Felchenfang komplett eingestellt haben, weil kaum noch etwas gefangen wurde.

Also ist das Felchen nicht der meist gefischte Fisch?

Schon lange nicht mehr. Es gehen leider alle Fischbestände zurück, außer die Rotaugen im östlichen Obersee. Dort haben sich einige Fischer bereits darauf spezialisiert. Aktuell werden je nach Jahreszeit Aal, Kretzer, Wels, Forellen, Saiblinge und Hecht gefangen. Felchen ist aber nach wie vor das Markenzeichen für den Bodensee.

Als Gründe des Rückgangs des Felchens werden Nährstoffmangel im Wasser, hungrige Kormorane und die Quagga-Muschel angegeben. Welches ist Ihrer Meinung nach das größte Problem?

In punkto Felchen kommt da auch noch der Stichling dazu, denn er ist ein Nahrungskonkurrent, weil auch er Zooplankton frisst. Die Quagga-Muschel zieht zusätzlich Nährstoffe aus dem Wasser, was die Grundlage für das Wachstum des Zooplanktons ist. Der mit Abstand größte Faktor ist allerdings der Kormoran. Es gibt etwa 6000 Vögel am Bodensee. Ein Kormoran frisst am Tag bis zu einem halben Kilo Fisch. Wir wissen, dass Kormorane aktuell im Jahr mindestens 400 Tonnen Fisch aus dem Bodensee holen, was ein Vielfaches im Vergleich zu den Berufsfischern ist.

Das Blaufelchen: Er ist der Bodenseefisch, weil er nur im Bodensee heranwächst.
Das Blaufelchen: Er ist der Bodenseefisch, weil er nur im Bodensee heranwächst. Bild: FFS Langenargen

Sie haben gesagt, dass der Bestandsschutz des Felchens absolut notwendig ist und die Berufsfischer dies auch schon seit Jahren machen. Wie sieht das aus?

Hier gibt es jede Menge Maßnahmen. Wie gesagt haben wir ja bereits eine Schonzeit. Dann wurde 2018 die Anzahl der Berufsfischer am See auf 80 reduziert. Diese Zahl ist bis heute noch einmal deutlich weniger auf etwa 50 gesunken und diese haben ihre Fangtage im Sommer 2022 zusätzlich reduziert. Zudem haben wir am Bodensee eine der nachhaltigsten Fischerei weltweit.

Inwiefern?

Alleine schon durch die Fangart mit den Chiemennetzen. Diese Fangart konzentriert sich ausschließlich auf den Fang von Fischen, welche mindestens zwei Mal für ihren Nachwuchs gesorgt haben. Alle zu kleinen und jungen Fische schwimmen durch das Netz und wachsen weiterhin tierfreundlich heran.

Wenn es um den Bodenseefisch geht, ist immer wieder zu lesen, dass es ein neues Felchenmanagement brauche. Was ist damit gemeint?

Mit dem Felchenmanagement ist gemeint, was getan werden muss, dass sich der Fischbestand wieder erholt. Hier wäre es schön, wenn diese Maßnahmen alle Faktoren betreffen, die für den Rückgang verantwortlich sind und nicht nur die Berufsfischer zur Schonung des Bestandes herangezogen werden. Außerdem muss man den Laichfang betrachten und in Sachen Aufzucht einiges anpassen.

Etwas provokant gefragt: Wie lange werden Sie noch als Berufsfischerin am Bodensee arbeiten können?

Ich selber bin schon seit zehn Jahren nicht mehr vollberuflich aktiv. Nur so kann ich mich auch so intensiv für den Verband einsetzen. Wie schon erwähnt, es geht vor allem darum, dem Nachwuchs der Berufsfischer eine Zukunftsperspektive zu geben. Denn nur so bleibt die Berufsfischerei am Bodensee erhalten – und nur so können wir weiterhin das Nahrungsmittel Bodenseefisch anbieten – und nur so kann auch weiterhin mit dem Bodensee-Felchen für die Region geworben werden. Die Berufsfischerei ist ein Kulturgut am Bodensee.

Die Fragen stellte Reiner Jäckle